Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Auch gestern Abend gab es noch
keine offizielle Bestätigung
dafür, dass jene zwei Arbeiter,
die seit der verheerenden
Explosion im Sprengstoffwerk St.
Lambrecht von Dienstagnachmittag
vermisst werden, nicht mehr am
Leben sind. „Aber die Chancen
sie noch lebend zu finden,
stehen sehr, sehr schlecht.
Spürhunde haben an drei Stellen
organische Spuren gefunden. Die
Angehörigen wurden verständigt“,
berichtete Peter Lindner,
stellvertretender
Bezirkshauptmann von Murau,
gestern Abend mit trauriger
Miene. Noch sind einige Gänge in
den zwei durch die Detonation
eingestürzten Gebäuden nicht
durchsucht worden. Die Hoffnung
will niemand aufgeben – doch sie
scheint vergebens zu sein.
Alles zerstört
Der Unglücksort gleicht einem
einzigen Trümmerhaufen – das so
genannte Mischhaus und ein
weiteres Gebäude wurden komplett
dem Erdboden gleich gemacht.
Verbogene Stahlträger, riesige
Mauerteile, Holzstangen und
Schutt liegen auf dem Boden.
Wegen Explosions- und
Einsturzgefahr hatte man am
Dienstag die beiden zerstörten
Gebäude – in denen die
Vermissten vermutet werden –
nicht durchsuchen können. Nach
einer ersten Inspektion gab
Wolfgang Heischmann,
Sprengstoffsachverständiger des
Innenministeriums, gestern um
sechs Uhr früh Teile des Werks
für eine Suche frei. Am
Nachmittag schließlich machten
Spürhunde den traurigen Fund.
Was sich bei der Explosion vor
Ort abgespielt hat, kann sich
wohl keiner vorstellen.
Thomas Partl aus Mariahof,
der bei dem Unglück verletzt
wurde, schildert die
dramatischen Momente. „Ich war
im Umkleideraum, hab’ eine
geraucht. Plötzlich hat’s einen
Schnalzer gemacht und uns hat es
alle umgehauen. Ein Türstock hat
mich am Kopf getroffen.
Irgendwie hab’ ich es ins Freie
geschafft“, erzählt der
30-Jährige mit zitternder
Stimme. Ein Pflaster prangt auf
seiner Stirn. Obwohl weitere
Explosionen zu befürchten waren,
eilte der Arbeiter gemeinsam mit
seinen Kollegen anderen zu
Hilfe.
Wie es zu der Detonation
gekommen ist, konnten gestern
weder die Sachverständigen noch
die Ermittler des
Landeskriminalamtes klären.
Ziemlich sicher ist nur, dass
das Unglück seinen Ausgang im
Mischhaus genommen hat. „Dort
wird Sprengöl mit einem
Gelatiniermittel zu Sprengstoff
vermischt“, erklärte der zweite
Sachverständige, Karl Reischl.
350 Kilogramm Dynamit werden pro
Arbeitsgang hergestellt, genug,
um ein 40-stöckiges Hochhaus zu
sprengen. Zum Unglückszeitpunkt
dürften die beiden Vermissten,
Michael Sch. (28) und Michael S.
(38) aus St. Lambrecht, im
Mischhaus bei der Arbeit gewesen
sein.
Wohin man gestern in St.
Lambrecht auch kam, gab es nur
ein Thema. „Es ist eine
Tragödie. Hier in der Gegend ist
jeder mit dem Werk aufgewachsen.
Man weiß von der Gefahr, aber
man lernt damit zu leben. Neben
dem Leid geht jetzt die Angst
um, dass sie das Werk
zusperren“, befürchtet eine St.
Lambrechterin.
Sicher ist vorerst einmal, dass
zwei Drittel der Produktion des
Werks für sechs Monate bis ein
Jahr stillstehen. Laut Wolfgang
Schuster von der Firma „Austin
Powder“ werden die Mitarbeiter
vorerst für Aufräumarbeiten
eingesetzt.
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